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Im Bann der Dinge – Minimalismus im Überfluss

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Axel Löwenstein ist Blogger ohne Blog (wie minimalistisch ist das denn!). In diesem Gastbeitrag erzählt er, wie sein Motorrad ihm gezeigt hat, dass ihn seine Besitztümer sehr wohl regieren.

Mein Name ist Axel Löwenstein. Ich bin 44 Jahre alt und lebe mit meiner Frau und meinem Hund in der Nähe von Hamburg. Ich habe mich für den Weg „Blogger ohne Blog“ entschieden. Mein Interesse gilt besonders den Themenbereichen Minimalismus und Nachhaltigkeit, weshalb ich hierzu regelmäßig Gastbeiträge verfasse.

Ich war mir immer absolut sicher, dass ich nicht durch meine Besitztümer regiert werde sondern frei entscheiden kann, was ich behalte oder gehen lasse. Bis zu dem Moment, als ich mein Motorrad verkaufen wollte. Eine Situation, die mich sehr nachdenklich gemacht hat. Warum das so war, möchte ich dir hier gerne erzählen.

„Hast Du eine Freundin, weil Du sie liebst, oder liebst Du sie, weil Du sie hast?“ (Dr. Ivo Bischoff)

Ich verfasste eine Verkaufsanzeige, die einer Ode an das motorisierte Zweirad glich. Die harmloseste Formulierung war noch „nur in gute Hände abzugeben“. Der von mir aufgerufene Preis zielte in seiner Höhe völlig an der Marktentwicklung vorbei. Anstatt dies zu realisieren, spottete ich über die anderen Verkäufer, die offensichtlich bereit waren ihre Schmuckstücke zu verschenken.

Der Endowment-Effekt (Besitztumseffekt) hatte voll bei mir durchgeschlagen. Dingen, die man besitzt misst man einen höheren Wert bei, als objektiv vergleichbaren Gegenständen. Ein fataler Irrtum, der zu völlig irrationalen Entscheidungen im Konsumverhalten führen kann. Ich habe mich übrigens aus Bockigkeit entschieden das Motorrad zu behalten. Jetzt kostet es mich weiter Geld, anstatt mir ein stattliches Sümmchen einzubringen. 1 : 0 für das Krad!

Ein Motorrad ist ein Motorrad, ist ein Motorrad.

Ich fing jetzt an meinen gesamten Hausstand mal intensiv unter die Lupe zu nehmen und kritisch zu hinterfragen, was ich davon tatsächlich brauche. Welche Gegenstände hatten denn zwischenzeitlich schon von mir Besitz ergriffen? Eine Vielzahl der Konsumgüter hatte ich nach dem übereilten Erwerb nie wieder benutzt. Einige befanden sich sogar noch in der Originalverpackung. Mit etwa 40 Messern in der Besteckschublade sind wir jederzeit für den Besuch einer größeren Delegation gerüstet, aber natürlich auch für befreundete Messerwerfer. Ein beruhigendes Gefühl!

„Omnia mea mecum porto“, formulierte Cicero einst so sinnig. „All meinen Besitz trage ich bei mir.“ Ich muss zugeben, da war der alte Knabe deutlich weiter als ich. Meine Suchaktion in den heimischen vier Wänden spülte insgesamt fünf (!) funktionstüchtige Smartphones ans Tageslicht. Trotz der absurden Idee so viele Handys zu besitzen, begrüßte ich jedes Einzelne freudig: „Ah, da bist Du ja. Ich hab dich schon so lange gesucht.“

In Sachen Konsum war ich inzwischen offensichtlich Täter und Opfer zugleich. Die psychologischen Wirkungen der Werbung sind mir durchaus bewusst, aber dieses Wissen konnte mich dennoch nicht davor schützen Dinge zu kaufen, die ich nicht im Geringsten brauche. Hier muss ich den Hebel ansetzen und mich sukzessive von diesem überbewerteten Ballast befreien.

Wehret den Anfängen

Wenn Du wirklich etwas über den „Bann der Dinge“ lernen willst, dann musst Du einen mystischen Ort aufsuchen, der dir einen Blick in die Abgründe der menschlichen Seele gewährt: ALDI.

Das Mordor für Minimalisten!

Als Angehöriger der Konsum-Guerilla ist es deine verdammte Pflicht dort mit deinem Widerstandskampf zu beginnen.

Stell dich mal in die überlange Schlange an einer Kasse des Konsumtempels und beobachte deinen Vordermann beim Befüllen des Transportbandes. Alles austauschbare Produkte, die allein in diesem Markt in unbegrenzter Zahl vorhanden sind. Der Kaufpreis wurde noch nicht entrichtet und die Produkte gehören ihm noch nicht wirklich, dennoch haben diese Dinge jetzt schon Besitz von ihm ergriffen. Du glaubst das nicht? Dann schleich dich mal an ihm vorbei und schnapp dir wahllos einen „seiner“ Artikel vom Band. Sollte ja eigentlich kein Problem sein! Aber Achtung, der Warentrennstab hinterlässt schlimme Abdrücke an der Stirn. Vorsichtige Widerstandskämpfer können zunächst mal in sicherer Entfernung zur Kasse mit fremden Einkaufskörben üben. Die gute Absicht zählt.

Bremstest für Minimalisten

Ich habe jetzt strenge Regeln für den Umgang mit meinem Konsum aufgestellt. Als Sofortmaßnahme habe ich mir strikte Auflagen für Neuanschaffungen auferlegt. Was ich nicht wirklich brauche, wird nicht gekauft. Ganz einfach.

Um diese Auflage zu erfüllen hinterfrage ich jede geplante Neuanschaffungen mit fünf „Warum“- Fragen, beginnend mit: Warum willst Du das kaufen? Meistens bricht bereits nach der dritten Frage meine Argumentationskette zusammen und mir wird klar, dass ich diesen Gegenstand definitiv nicht brauche. Sollte ich gelegentlich vergessen, diese Fragen zu stellen, werden sie mit absoluter Sicherheit von meinem ehelichen Korrektiv gestellt. Ehefrauen wissen ganz genau, was ihre Männer brauchen!

Um die Symptome des Entzugs etwas abzumildern, erlaube ich mir drei Mal im Jahr sog. „Braucht kein Schwein, find ich aber geil“-Artikel, die ich möglichst aus fairem Handel beziehe. Das schmeichelt meinem Restgewissen. „Kalter“ Entzug ist mir dann doch zu hart und auch nicht zwingend notwendig.

Den bereits angehäuften „Hügel des Wahnsinns“ habe ich für mich in vier Kategorien unterteilt:

  1. Behalten, weil sinnvoll und in Gebrauch
  2.  Verkaufen, weil von mir nicht genutzt, aber noch wertvoll
  3. Verschenken, weil nicht genutzt und von eher geringem Wert
  4. Müll, weil Müll

Jeder wird hier seinen eigenen Maßstab finden müssen, um die Gegenstände dann entsprechend zu kategorisieren. Entscheidend ist aber: Fang an!

Wenn die erste Scheu verflogen ist, dann kann es sogar ein richtig gutes Gefühl sein, wenn man die „Stubenhocker“ aus seinem Kleiderschrank entfernt hat und zu Menschen bringt, die wohl eher die Zaungäste unserer Konsumgesellschaft sind. In Hamburg besuche ich mit meiner Frau regelmäßig das „CaFée mit Herz“, wo wir unsere Kleiderspenden direkt dort abgeben können, wo sie gebraucht werden.

Wenn ihr also in Hamburg mal einen Obdachlosen mit einem schicken Hemd trefft…

Mehr über Axel erfährst du auf seiner Facebook-Seite.

Kennst du schon meinen Newsletter? Einmal im Monat schicke ich dir ein mit ganz viel Liebe und Hirnschmalz zusammengestelltes Schmökerpaket  mit Lesetipps zum Thema einfaches Leben und Minimalismus. Trage dich hier ein und du bekommst als kleines Begrüßungsgeschenk mein E-Book „Minimalistisch schick: 10 Tricks, die dein Styling von Grund auf einfacher machen“.

Der Beitrag Im Bann der Dinge – Minimalismus im Überfluss erschien zuerst auf MalMini.


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